Über die Freiheit, einen Helm (nicht) zu tragen

Einen Fahrradhelm zu tragen ist für manche selbstverständlich, für andere ein rotes Tuch. Aktuell ist es (mal wieder) ein heißes Diskussionsthema, ausgelöst durch eine Forderung der Gewerkschaft der Polizei zur Einführung einer Helmpflicht beim Radfahren.

Ende Februar hatte das statistische Bundesamt einen deutlichen Anstieg der Unfallzahlen mit Radfahrern in 2018 gemeldet. Obwohl insgesamt die Zahl der Unfälle im Straßenverkehr leicht gesunken war (um 0,4%), stieg die Zahl der getöteten Radfahrer um 13,6% im Vergleich zum Vorjahr. Die Polizeigewerkschaft NRW nahm das zum Anlass, um eine gesetzliche Helmpflicht zu fordern. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) kommentierte im WDR dazu, dass er „im Moment“ noch nicht für die Helmpflicht sei, er werde aber „zunehmend nachdenklich“. Fahrradakteure wie der ADFC und der VCD, auch bekannte Radaktivisten wie Heinrich Stößenreuther, lehnen eine Helmpflicht beim Radfahren ab.

Nicht alle Radfahrer haben für diese Haltung Verständnis – insbesondere der helmtragende Teil der Radfahrer. Ein Helm schütze doch, was sei schlimm daran, einen zu tragen? Im Auto gebe es schließlich auch eine Gurtpflicht. Der Vergleich mit der Gurtpflicht hält allerdings einer genauen Betrachtung nicht stand, und auch darüber hinaus gibt es gute Gründe, auf einen Helm beim Radfahren zu verzichten (und die Frisurenfrage gehört ausdrücklich nicht dazu). Über das Für und Wider von Helmtragen auf dem Rad ist schon sehr viel geschrieben worden, und deswegen sollen an dieser Stelle die Argumente nicht noch einmal wiederholt werden. Die Position gegen eine Helmpflicht hat VelocityRuhr sehr gut aufgearbeitet, und allen, die sich einen Überblick verschaffen wollen, sei dieser Beitrag empfohlen: https://velocityruhr.net/blog/2019/02/27/helmdebatten-warum-eine-helmpflicht-ein-teil-des-problems-und-nicht-der-loesung-ist/

Es scheint, dass in der Debatte manche Befürworter einer Helmpflicht das Ablehnen derjenigen verstehen als ihr Gegenteil, nämlich ein Helmverbot. Die Positionierung gegen eine Helmpflicht bei Fahrradverbänden und Radaktivisten soll niemanden davon abhalten, einen Helm zu tragen. Laut ADFC und VCD kann das freiwillige Tragen eines Helms sogar sinnvoll sein, z.B. bei Kindern oder wenn ältere Menschen nach längerer Zeit wieder mit dem Fahrrad fahren beginnen. Auch viele Radaktivisten bei Aufbruch Fahrrad tragen einen Helm, die Autorin eingeschlossen. Es spricht absolut nichts gegen das Tragen eines Helms.

Das Fahrrad ist, anders als motorisierte Fahrzeuge, ein sehr niedrigschwelliges Verkehrsmittel. Jeder, der die Motorik beherrscht und ein Fahrrad zur Verfügung hat, kann es benutzen. Mit dem Fahrrad kommt man so gut wie überall hin, und außer auf Autobahnen kann man (fast) auf allen Wegen fahren. Gäbe es eine Helmpflicht, würde sich diese Freiheit umkehren in ein faktisches Benutzungsverbot für Menschen ohne Fahrradhelm: ein Fahrrad zu fahren, wäre nur dann erlaubt, wenn der oder die Fahrende dabei einen Helm trägt. Dabei wäre das „Fahrradfahrverbot für alle außer Helmträger“ unabhängig von der Länge der Strecke, der Erfahrung des Radlers / der Radlerin, dem Zweck des Radfahrens (Sport, gemütliche Radtour, zum Bäcker oder zur Arbeit fahren?) und dem Umfeld (entlang von Hauptverkehrsstraßen ohne Radweg, Feldwege oder durch das Wohngebiet?). Als Folge einer Helmpflicht würden dann weniger Menschen das Fahrrad nutzen. In Australien, das bereits in den 90er Jahren eine Helmpflicht einführte, sank das Radverkehrsaufkommen stark. Die australische Stadt Adelaide verzeichnete einen Rückgang um 55% (Quelle: http://www.urbanophil.net/urbane-mobilitat/mikael-colville-andersen-erklart-fahrradhelme-sind-ein-produkt-der-kultur-der-angst/)

Dies ist das Gegenteil von dem, was Radverbände und –initiativen erreichen wollen. Die Mitglieder des Aktionsbündnis Aufbruch Fahrrad setzten sich für das langfristige Ziel von 25% Radverkehrsanteil in NRW in 2025 ein, zum Schutz von Umwelt und Klima, für weniger Stau und lebenswertere Städte. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn viel mehr Menschen als bisher Fahrrad fahren. Deswegen sollten wir es Menschen so leicht wie möglich machen, auf möglichst vielen Wegen das Fahrrad zu nutzen – mit oder ohne Helm.

 

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